BGH: Geringfügige Belehrungsfehler können Verstoß gegen Treu und Glauben bei Widerspruchsrecht begründen

4.3/5
Der Bundesgerichtshof entscheidet, dass auch geringfügige Belehrungsfehler einen Verstoß gegen Treu und Glauben im Rahmen des Widerspruchsrechts nach § 5a VVG a.F. begründen können, wenn sie dem Versicherungsnehmer nicht die Möglichkeit nehmen, sein Widerspruchsrecht im Wesentlichen unter denselben Bedingungen auszuüben.
Inhalt dieses Beitrages:

Entscheidung im Fall unrichtiger Belehrung über die Form der Widerspruchserklärung

Der Bundesgerichtshof hat in einem Fall, in dem die Versicherungsnehmer unrichtig über die Form ihrer Widerspruchserklärung informiert wurden, angenommen, dass ein Bereicherungsanspruch nach § 242 BGB wegen rechtsmissbräuchlicher Ausübung des Widerspruchsrechts gemäß § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. ausgeschlossen ist.

Vorinstanzen haben Klage abgewiesen

Sowohl das Landgericht Berlin als auch das Kammergericht Berlin haben die Klage abgewiesen. Nach Auffassung des Berufungsgerichts steht der Geltendmachung des Rückabwicklungsanspruchs der Grundsatz von Treu und Glauben entgegen.

 Bundesgerichtshof gibt Revision der Versicherungsnehmerin statt

Der BGH entscheidet, dass die Ausübung des Widerspruchsrechts gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstößt, wenn ein geringfügiger Belehrungsfehler vorliegt, der dem Versicherungsnehmer nicht die Möglichkeit nimmt, sein Widerspruchsrecht im Wesentlichen unter denselben Bedingungen auszuüben.

Die Annahme einer rechtsmissbräuchlichen Ausübung des Widerspruchsrechts in diesem Fall steht auch in Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union.

Frage der Unionswidrigkeit des Policenmodells nicht entscheidungserheblich

Auch im Fall einer unterstellten Unionswidrigkeit des Policenmodells ist es dem ordnungsgemäß belehrten Versicherungsnehmer nach Treu und Glauben verwehrt, sich nach jahrelanger Durchführung des Vertrages auf dessen angebliche Unwirksamkeit zu berufen und daraus Bereicherungsansprüche herzuleiten.

Eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union war nicht erforderlich, da die Maßstäbe für die Berücksichtigung von Treu und Glauben in der Rechtsprechung des Gerichtshofs geklärt sind und die Annahme rechtsmissbräuchlichen Verhaltens in Fällen wie dem vorliegenden in Einklang steht

Anwendung des nationalen Grundsatzes von Treu und Glauben zulässig

Im Bereich der Lebensversicherungsrichtlinien der Europäischen Union ist ein Rückgriff auf den nationalen Grundsatz von Treu und Glauben nach § 242 BGB zulässig, solange die praktische Wirksamkeit der Richtlinien nicht beeinträchtigt wird. Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass dies im vorliegenden Fall gegeben ist.

Bedeutung für zukünftige Fälle

Diese Entscheidung des Bundesgerichtshofs zeigt, dass auch geringfügige Belehrungsfehler im Zusammenhang mit dem Widerspruchsrecht bei Versicherungen zu einem Verstoß gegen Treu und Glauben führen können. Versicherungsnehmer und -geber sollten sich daher genau über ihre Rechte und Pflichten informieren, um mögliche rechtliche Auseinandersetzungen zu vermeiden.

Zusammenfassung

Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass geringfügige Belehrungsfehler einen Verstoß gegen Treu und Glauben im Rahmen des Widerspruchsrechts nach § 5a VVG a.F. begründen können, wenn sie dem Versicherungsnehmer nicht die Möglichkeit nehmen, sein Widerspruchsrecht im Wesentlichen unter denselben Bedingungen auszuüben. Die Entscheidung steht in Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union und unterstreicht die Bedeutung der korrekten Belehrung in Versicherungsverträgen.

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Jonas Kainzinger

Rechtsanwalt

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