Widersprüchliches Verhalten des Arbeitgebers
Wenn ein Arbeitgeber ein Arbeitsverhältnis fristlos kündigt und gleichzeitig dem Arbeitnehmer die Weiterbeschäftigung zu unveränderten Bedingungen während des Kündigungsschutzprozesses anbietet, liegt ein widersprüchliches Verhalten vor. Dies führt dazu, dass der Arbeitgeber in Annahmeverzug gerät, ohne dass der Arbeitnehmer ein Arbeitsangebot unterbreiten muss. Das BAG traf diese Entscheidung am Mittwoch (Az. 5 AZR 255/22).
Der konkrete Fall: Fristlose Kündigung und neuer Arbeitsvertrag
Im konkreten Fall hatte ein Unternehmen seinen technischen Leiter fristlos gekündigt und ihm einen neuen Arbeitsvertrag als Softwareentwickler mit geringerer Vergütung angeboten. Der Arbeitnehmer lehnte das Angebot ab und erschien nicht zur Arbeit. Daraufhin kündigte der Arbeitgeber erneut fristlos und forderte den Arbeitnehmer auf, im Falle der Ablehnung der Kündigung zur Arbeit zu erscheinen. Beide Kündigungen wurden in einem Kündigungsschutzprozess als unwirksam eingestuft.
Klage auf vertraglich vereinbarte Vergütung wegen Annahmeverzuges
Der Arbeitnehmer klagte auf die vertraglich vereinbarte Vergütung wegen Annahmeverzuges, da er erst im April 2020 eine neue Beschäftigung antreten konnte. Er argumentierte, dass eine Weiterbeschäftigung unter den geänderten oder ursprünglichen Arbeitsbedingungen unzumutbar gewesen sei, weil der Arbeitgeber ihm unbegründet Fehlverhalten vorgeworfen und seine Person herabgewürdigt habe.
BAG entscheidet zugunsten des Arbeitnehmers
Das BAG entschied zugunsten des Arbeitnehmers und stellte fest, dass das Unternehmen aufgrund der unwirksamen Kündigungen im Annahmeverzug war, ohne dass der Arbeitnehmer ein Arbeitsangebot unterbreiten musste. Das widersprüchliche Verhalten des Arbeitgebers führte zu einer tatsächlichen Vermutung, dass er kein ernstgemeintes Angebot zur Weiterbeschäftigung gemacht hatte. Laut Gericht könne der Arbeitnehmer nicht für seinen fehlenden Leistungswillen verantwortlich gemacht werden.
Ausnahme: Böswillig unterlassener Verdienst
Das Gericht stellte zudem fest, dass der Arbeitnehmer keine böswillig unterlassenen Verdienste gemäß § 11 Nr. 2 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) anrechnen lassen müsse, da ihm eine Prozessbeschäftigung bei dem Unternehmen aufgrund der gegen ihn erhobenen Vorwürfe und der Herabwürdigung seiner Person unzumutbar gewesen sei.
Fazit
Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass ein Arbeitgeber in Annahmeverzug geraten kann, wenn sein Angebot zur Weiterbeschäftigung offensichtlich nicht ernst gemeint ist. In solchen Fällen muss der Arbeitnehmer seine Arbeit nicht mehr anbieten. Dieses Urteil unterstreicht die Bedeutung von transparenten und ehrlichen Kommunikation zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Arbeitgeber sollten darauf achten, nicht widersprüchliche Signale zu senden und ihre Angebote klar und aufrichtig zu formulieren. Andernfalls riskieren sie, in Annahmeverzug zu geraten und möglicherweise finanzielle Konsequenzen zu tragen. Arbeitnehmer können sich auf diese Entscheidung berufen, wenn sie sich in ähnlichen Situationen befinden und ihre Rechte geltend machen wollen.