Die gesetzliche Erbfolge in Deutschland
Einleitung
Die gesetzliche Erbfolge in Deutschland regelt die Verteilung des Nachlasses, wenn der Verstorbene (Erblasser) keine letztwillige Verfügung (Testament oder Erbvertrag) hinterlassen hat. Diese Regelungen sind in den §§ 1924 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) festgelegt. Ziel der gesetzlichen Erbfolge ist eine gerechte Verteilung des Nachlasses unter den Verwandten des Erblassers.
Grundsätze der gesetzlichen Erbfolge
Universalsukzession
Gemäß § 1922 BGB geht das gesamte Vermögen des Erblassers mit dessen Tod als Ganzes auf die Erben über. Dieser Vorgang wird als Universalsukzession bezeichnet. Das bedeutet, dass die Erben unmittelbar und vollständig in die Rechtsstellung des Erblassers eintreten und sämtliche Rechte und Verbindlichkeiten übernehmen.
Erbfähigkeit
Die Erbfähigkeit bestimmt sich nach § 1923 BGB. Erbfähig ist, wer zum Zeitpunkt des Erbfalls lebt oder bereits gezeugt ist und nach dem Erbfall lebend geboren wird (Nasciturus). Personen, die vor oder gleichzeitig mit dem Erblasser verstorben sind, sind nicht erbfähig.
Parentelsystem und Repräsentationsprinzip
Die gesetzliche Erbfolge in Deutschland folgt einem Parentelsystem, das die Verwandten des Erblassers in verschiedene Ordnungen einteilt. Zudem gilt das Repräsentationsprinzip, nach dem ein näherer Verwandter entferntere Verwandte von der Erbfolge ausschließt.
Verwandtenerbrecht
Allgemeines
Zu den gesetzlichen Erben gehören in erster Linie der Ehegatte oder eingetragene Lebenspartner sowie die nächsten Verwandten des Erblassers, wie Abkömmlinge, Eltern und Geschwister. Das Erbrecht des Ehegatten ist umso größer, je entfernter die übrigen gesetzlichen Erben mit dem Erblasser verwandt sind. Der gesetzliche Erbteil des Ehegatten hängt auch vom Güterstand der Ehe ab.
Erben erster Ordnung
Zu den Erben erster Ordnung gehören die Abkömmlinge des Erblassers, also Kinder, Enkel und Urenkel. Das Repräsentationsprinzip besagt, dass die Kinder des Erblassers seine Enkel von der Erbfolge ausschließen. Sind die Kinder des Erblassers vorverstorben oder aus anderen Gründen nicht erbberechtigt, treten deren Abkömmlinge an ihre Stelle.
Rechtliche Abstammung und Adoption
Die rechtliche Abstammung, die auch durch Adoption begründet werden kann, ist maßgeblich für die Erbberechtigung.
- Adoptionen vor dem 1.1.1977: Bei Adoptionen vor diesem Datum behielt das adoptierte Kind sein volles Erbrecht in Bezug auf seine leiblichen Eltern und erwarb zusätzlich ein Erbrecht nach dem Annehmenden. Die Blutsverwandten des Adoptivkindes behielten ebenfalls ihr Erbrecht.
- Adoptionen seit dem 1.1.1977: Seitdem wird zwischen Minderjährigen- und Volljährigenadoption unterschieden. Bei der Minderjährigenadoption handelt es sich um eine Volladoption, bei der das adoptierte Kind das Verwandtschaftsverhältnis zu seinen leiblichen Eltern verliert und ein Erbrecht nach dem Annehmenden und dessen Verwandten erwirbt. Bei der Volljährigenadoption bleibt das Verwandtschaftsverhältnis zu den leiblichen Eltern bestehen.
Nichteheliche Kinder
Seit dem 1. ErbGleichG haben nichteheliche Kinder ein volles gesetzliches Erbrecht nach dem Vater und dessen Verwandten, sofern sie nach dem 1.7.1949 geboren wurden. Mit dem 2. ErbGleichG wurde diese Regelung auf alle nichtehelichen Kinder erweitert, unabhängig von ihrem Geburtsdatum.
Erben zweiter Ordnung
Erben zweiter Ordnung sind die Eltern des Erblassers und deren Abkömmlinge, also die Geschwister des Erblassers. Lebt ein Elternteil des Erblassers nicht mehr, treten dessen Abkömmlinge an dessen Stelle. Wenn beide Elternteile verstorben sind, erben die Geschwister des Erblassers oder deren Nachkommen.
Erben dritter Ordnung
Erben dritter Ordnung sind die Großeltern des Erblassers und deren Abkömmlinge. Leben die Großeltern nicht mehr, treten deren Abkömmlinge, also die Onkel, Tanten und Cousins des Erblassers, an deren Stelle.
Erben vierter und fernerer Ordnungen
Erben vierter Ordnung sind die Urgroßeltern des Erblassers und deren Abkömmlinge. Ab der vierten Ordnung wird die Erbfolge nach dem Gradualsystem bestimmt, bei dem der Verwandtschaftsgrad anhand der Anzahl der Geburten zwischen dem Erblasser und dem Verwandten berechnet wird. Sind keine Erben vierter Ordnung vorhanden, geht das Erbrecht an die Verwandten der fünften oder ferneren Ordnung über.
Das Ehegattenerbrecht
Allgemeines
Das Ehegattenerbrecht steht neben dem Verwandtenerbrecht und unterliegt speziellen Regelungen. Der überlebende Ehegatte erbt je nach Güterstand und neben welchen Verwandten des Erblassers er zur Erbfolge berufen ist.
Höhe des Erbteils
Die Höhe des Erbteils des überlebenden Ehegatten richtet sich nach der Erbenordnung der übrigen Erben:
- Neben Verwandten erster Ordnung erbt der Ehegatte ein Viertel des Nachlasses (§ 1931 Abs. 1 BGB).
- Neben Verwandten zweiter Ordnung oder Großeltern erbt der Ehegatte die Hälfte des Nachlasses (§ 1931 Abs. 1 BGB).
Güterstand
- Zugewinngemeinschaft: War der Erblasser im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft verheiratet, erhöht sich der Erbteil des Ehegatten um ein weiteres Viertel (§ 1371 Abs. 1 BGB). Neben Verwandten erster Ordnung erbt der Ehegatte somit zur Hälfte, neben Verwandten zweiter Ordnung oder Großeltern zu drei Vierteln.
- Gütertrennung: Bei Gütertrennung erbt der überlebende Ehegatte neben Verwandten erster Ordnung zu einem Viertel und neben Verwandten zweiter Ordnung oder Großeltern zur Hälfte. Wenn es keine Kinder gibt, ist der Ehegatte Alleinerbe.
- Gütergemeinschaft: Bei der Gütergemeinschaft gibt es keinen zusätzlichen Zugewinnausgleich wie bei der Zugewinngemeinschaft. Die Erbquote richtet sich nach den allgemeinen Regelungen des § 1931 BGB.
Voraus des Ehegatten
Der überlebende Ehegatte hat einen gesetzlichen Anspruch auf den sogenannten Voraus (§ 1932 BGB). Hierbei handelt es sich um Haushaltsgegenstände, die zur Führung eines angemessenen Haushalts benötigt werden. Dieser Anspruch besteht neben der Erbquote und ist unabhängig vom Güterstand.
Besonderheiten bei der Zugewinngemeinschaft
- Erbrechtliche Lösung: Bei der Zugewinngemeinschaft erhöht sich der gesetzliche Erbteil des überlebenden Ehegatten gemäß § 1371 Abs. 1 BGB um ein weiteres Viertel. Neben Erben erster Ordnung erbt der Ehegatte somit zur Hälfte und neben Verwandten zweiter Ordnung oder Großeltern zu drei Vierteln.
- Güterrechtliche Lösung: Der überlebende Ehegatte kann den Ausgleich des Zugewinns nach den §§ 1373 ff. BGB verlangen, wenn er das Erbe ausschlägt. Daneben steht ihm ein Pflichtteil zu.
Erbrecht des verwandten Ehegatten
Ein überlebender Ehegatte, der zugleich erbberechtigter Verwandter ist, erhält sowohl den Ehegattenerbteil als auch den Verwandtenerbteil (§ 1934 BGB). Dies ist möglich, wenn der überlebende Ehegatte den gesetzlichen Erben zweiter Ordnung angehört, also mit einem Onkel, einer Tante oder einem Großonkel bzw. einer Großtante verheiratet war.
Erbrecht des Staates
Der Staat erbt gemäß § 1936 BGB nur, wenn keine Verwandten, Ehegatten oder eingetragenen Lebenspartner vorhanden sind oder deren gesetzliche Erbberechtigung weggefallen ist. Der Staat tritt als letzter Erbe in die Rechtsnachfolge des Erblassers ein und übernimmt die Rolle des Erben mit allen Rechten und Pflichten.
Fazit
Das gesetzliche Erbrecht in Deutschland sorgt für eine klare und gerechte Verteilung des Nachlasses, wenn keine testamentarischen Verfügungen vorliegen. Es sichert die Ansprüche der nächsten Verwandten und des Ehegatten ab und stellt sicher, dass das Vermögen des Erblassers gemäß den gesetzlichen Vorschriften verteilt wird.
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